Bericht 9: Kairo - Luxor 22.10.07 - 08.11.07; Kilometer: 4950 - 6050;

„Jemanden in die Wüste schicken!“ Jetzt weiß ich, was damit gemeint ist. Nach einer Woche in Kairo machte ich mich mit einem Visum für den Sudan, viel Essen und noch mehr Wasser auf in den „Western Desert“, einem Ausläufer der Sahara. Die erste Oase, die ich erreichen wollte, war Baharia, knappe 400 Kilometer entfernt. Ich hatte mir in den Kopf gesetzt, diese in zwei Tagen erreichen zu wollen, ein recht hochgestecktes Ziel. Zum einen, da ich seit fast zwei Wochen nicht mehr Fahrrad gefahren bin und zum anderen, da ein völlig neues Terrain auf mich wartete. Aber mit einem kräftigen Rückenwind könnte es schon klappen. Am ersten Tag verließ ich Kairo in den frühen Morgenstunden, um dem Verkehr etwas zu entgehen. Dies gelang mir recht gut, nur fand ich leider nicht auf Anhieb den richtigen Weg. Die Personen, die ich fragte, schickten mich mit ca. 20 Kilometer Umweg in die Wüste. Meine Landkarte half mir auch nicht sehr, denn der Maßstab 1:4 Mio (1cm=40km) ist nicht zum Navigieren in Städten da.

Sobald ich das Niltal verließ wurde es absolut trocken und die Landschaft immer grauer. Die Erwartungen an die Wüste wurden zudem noch dadurch getrübt, dass auf einer Spur der breiten Straße, Müll und Schutt abgelagert wurden. Einzelne Bauten säumten die Straße und manchmal sah man ein paar kleinere Ölfelder an denen gearbeitet wurde. Der Verkehr entsprach auch noch nicht einer einsamen Wüstenstraße. Zahlreiche Lastwagen überholten mich laut hupend mit einem sicheren Abstand. Erst nach ca. 100 Kilometern nahm die Dichte der Ölfelder ab und ich befand mich in der Wüste. So weit das Auge blicken konnte war nichts zu sehen, keine Erhebung, keine Sanddünen, nichts. Nur Schotter und ein wenig Sand. Die Hitze war durch den ständig wehenden Wind erträglich, aber meine angepeilten fünf Liter Wasser, die ich am Tag trinken wollte, hatte ich schon am Nachmittag erreicht. Ein wenig reduzierte sich mein Wasserverbrauch, indem ich nur noch durch die Nase atmete und den Mund nur selten öffnete. Gegen fünf Uhr und nach 160 Kilometern war ich schon sehr müde und baute mein Zelt ein paar Meter neben der Straße auf, kochte noch eine Nudelsuppe und genoss den Sonnenuntergang. Von meiner Leistung war ich etwas enttäuscht, hatte ich mein angepeiltes Tagesziel von knapp 200 Kilometer doch weit verfehlt. Der erwartete Rückenwind kam doch zu sehr von der Seite und von vorne. Dies bedeutet, dass ich am nächsten Tag über 230 Kilometer fahren müsste, um die Oase zu erreichen. Um sechs Uhr schlief ich schon ein und versuchte mich von dem anstrengenden Tag zu erholen.

 

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In der Nacht wachte ich auf und merkte am flattern des Zeltes, dass sich der Wind gedreht hatte. Er blies jetzt genau von hinten. Dies war Motivation genug, gegen vier Uhr das Nachtlager abzubauen und mich aufs Fahrrad zu schwingen. Mit einer ungeahnten Geschwindigkeit schien ich durch die Nacht zu fliegen und machte einige Kilometer gut. Gegen frühen Mittag erreichte ich die Kante des Plateaus, auf dem ich seit 240 Kilometern fuhr. Die Straße führte ca. 50 – 100 Höhenmeter hinab und endlich konnte ich mal weiter als ein paar Kilometer blicken. Die Augen hatten auf einmal etwas zum fokussieren: kleine Berge, Sanddünen und die Weite der Landschaft. Es war ein toller Augenblick.

Ein Lastwagen hielt an und der Fahrer öffnete seinen Wassertank unter seinem Fahrzeug und gab mir eine erfrischende Kopfdusche. Noch war die Motivation da bis zur Oase zu fahren. Doch irgendwann ließ die Kraft nach, die starke Sonne hat auch ihren Teil dazu beigetragen und so wurden die letzten Kilometer eine reine Qual. Krämpfe plagten mich und zwangen mich immer wieder vom Fahrrad aufzustehen und ein paar Meter zu schieben. Letztendlich erreichte ich nach 11:30 Stunden und 235 km auf dem Fahrrad die Oase Baharia im Dunkeln. Ich war glücklich sie erreicht zu haben, aber mir wurde auch klar, dass dies einfach zu viel war. An so einem Tag hat man fast keinen Blick für die Landschaft und nur die Kilometer zählen. Dies kann nicht mein Ziel sein. Wenn ich es einmal mache ist es in Ordnung, aber auf diese Art und Weise kann man kein Land kennen lernen.

Den nächsten Tag verbrachte ich nur damit mich zu regenerieren und neue Kraft zu tanken. Als ich so im Schatten lag, hörte ich, wie sich zwei Ägypter über mein Fahrrad unterhielten. Schließlich kamen sie zu mir und meinten, das etwas am Fahrrad kaputt sei. Ich wollte ihnen nicht so recht glauben, schließlich hatte ich am Tag zuvor nichts davon gemerkt. Etwas widerwillig bin ich mit ihnen zum Fahrrad gegangen, um ihr Anliegen anzuhören. Einer zeigte mir, dass der Gepäckträger gebrochen war. Ein kleiner Bruch an einer Strebe. Keinem ungeübten Auge wäre es aufgefallen, was bedeutete, dass er sich mit der Materie auskennt. Er meinte, dass es kein Problem wäre, er würde in einer Fahrradwerkstatt arbeiten und es gerne reparieren. Mir war es sehr recht, war ich doch noch arg müde und erschöpft. Der Gepäckträger wurde abmontiert und Mohammed verschwand mit dem Träger. Nach zwei Stunden war er wieder da und hatte die Alustreben durch selbst geschmiedete Stahlstreben ersetzt. Die zwei Euro für die Reparatur gab ich ihm gerne und dazu noch ein kräftiges Trinkgeld. Mit einem festen Gepäckträger ging es am nächsten Tag weiter in Richtung schwarze und weiße Wüste.

 

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Es wehte immer noch ein starker Rückenwind und wenn ich kurz anhielt vernahm ich an den Beinen ein leichtes Kribbeln: In Bodennähe wurde der Sand vom Wind transportiert und sorgte so für dieses leichte Stechen. Während der Fahrt spürte ich von alldem nichts, nur sah ich, dass kleine Sandschwaden über die Straße flogen. Mein Blick blieb aber nicht lange auf der Straße, denn auf der Strecke zwischen Baharia und Farafra gab es viel mehr zu sehen. Durch den Wechsel von harten und weichen Gesteinsschichten, die von einem früheren Meer einmal abgelagert wurden, blieben vereinzelte Inselberge stehen, dessen Flanken steil abfallen. Es ist ein bisschen zu vergleichen mit dem Grand Canon. Die Strecke und die Zeit verging wie im Fluge, am Nachmittag hatte ich schon die weiße Wüste erreicht gehabt. Hier hat sich eine strahlend weiße Lehm-, Kreide-, Kalkschicht abgelagert. Der fast immer wehende Wind hat faszinierende Formen aus diesen Ablagerungen heraus geblasen. Windblumen, Pilze und Vögel kann man mit etwas Fantasie erkennen. In mitten dieser einzigartigen Gebilde baute ich mein Zelt auf und genoss am Abend das Farbenspiel, welches die untergehende Sonne und später der aufgehende Vollmond mit der Landschaft bescherte.

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Auch die zweite Oase Farafra hat mit der Oasenromantik, welche ich mir vorgestellt hatte, wenig gemeinsam. Es ist einfach eine recht sandige Siedlung in mitten der Wüste, wo es auf einmal fast alles gibt. Am Rade sind schon noch ein paar Oasengärten zu entdecken, aber vieles ist auch durch den wahllos weggeworfenen Müll verdreckt. Für mich waren sie vor allem wichtig, um meine Vorräte wieder aufzufrischen. Obst, Brot und Wasser waren die wichtigsten Dinge, die ich immer wieder reichlich mit auf die Etappen in die Wüste nahm.

Der sehr helle abnehmende Vollmond ließ die Wüste nachts in einem hellen Licht erstrahlen und so fuhr ich in den nächsten Tagen immer schon des Nachts los.

Um 2:30 Uhr klingelte der Wecker und um 3 Uhr saß ich auf dem Fahrrad. Ich hatte nur die Rücklichter an meinem Fahrrad eingeschaltet, damit ich nach vorne die Umgebung besser im Mondschein wahrnehmen konnte. Es war eine unglaubliche Stille. Ein Auto kündigte sich schon einige Minuten vorher an. Erst sah man einen kleinen Lichtpunkt und nach einiger Zeit erklang zudem das Motorengeräusch. Kurz schaltete ich meine Stirnlampe ein, blendete auf und erhielt vom entgegenkommenden Fahrzeug eine Antwort, dass er mich gesehen hat, in dem der Fahrer ebenfalls kurz aufblendete. Danach herrschte wieder Ruhe. Ich sah einige Sternschnuppen und langsam färbte sich der Himmel in einen Rot-Ton, bevor die Sonne eine halbe Stunde später aufging. Es waren für mich die schönsten Stunden eines Tages. Die nächsten Tage fuhr ich noch weiter über Dahkla nach Kargah. Die Schönheit der Strecke nahm ab und der Gegenwind nahm dafür zu, so beschloss ich die letzten 350 Kilometer einen Bus nach Luxor zu nehmen. Ich wurde vorher schon vor dieser Strecke gewarnt, dass sie absolut langweilig ist und es nur ein paar Polizeicheckpoints geben würde. So etwas musste ich mir nicht antun.

In Luxor genoss ich das Leben und ließ es sehr langsam angehen. Schließlich brauche ich wieder neue Kräfte für die Wüstenetappen im Sudan, wo mich wohl keine Asphaltierte Piste erwarten wird.


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