Bericht 10: Assuan - Wadi Halfa 12.11.07 - 13.11.07; Kilometer: 6050 - 6055;

Zwischen Ägypten und dem Sudan gibt es nur einen Grenzübergang. Dieser befindet sich irgendwo auf dem Nasser Stausee zwischen Assuan und Wadi Halfa und ist nur mit dem wöchentlich verkehrenden Schiff zu erreichen. Einige Tage bevor das Boot abfahren sollte, erreichte ich Assuan. Ich wollte sogleich ein Ticket kaufen, doch leider gab man mir zu verstehen, dass das nächste Schiff ausgebucht sei. Jeden Tag weiteren Tag besuchte ich nun Mr. Sahla in seinem Office und hoffte auf neue Tickets. Doch leider tat sich nicht sehr viel und der meist schlecht gelaunte Sahla meinte immer nur: „next week!“ Solange wollte ich aber nicht warten.

Mittlerweile hatte ich in Assuan zwei weitere Radfahrer getroffen, die ebenfalls das Ziel Cape Town haben. Werner, kommt aus der Nähe von Würzburg, seit kurzem pensioniert und Rudi, ein Slowake, der aus Angst ein weiteres Mal bei seinem Examen durchzufallen, lieber in die weite Welt flüchtete. Werner gehörte zu den glücklichen Ticketbesitzern, doch Rudi erging es wie mir. Wir beide nahmen uns vor, keine Chance auszulassen und so wollten wir es auch am Abfahrtstag direkt am Hafen probieren.
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Früh morgens belud ich mein Fahrrad und fuhr zum Bahnhof, wo ich mich mit den anderen Radfahrern verabredet hatte und den Zug zum Hafen nahm. Hier war schon zu erkennen, wer so alles in den Sudan reisen will und was unbedingt mit muss - Ventilator, Tabletts, Fernseher, Kühlschränke... – All dies wurde in den Zug geladen. Nach einer halben Stunde Fahrt erreichten wir das Hafengelände. Übervoll mit Leuten, schwer beladenen Autos und Lastwagen. Vor ein paar kleinen Häusern hatten sich auch schon Warteschlangen gebildet. Ist davon eine für zurückgebliebene Tickets? Rudi und ich klapperten alle ab, standen immer ein bisschen an, drängelten uns vor und probierten kundig zu werden. Nach einiger Zeit hatten wir die richtige Schlange gefunden. Aber mit dem Ergebnis, dass es die Tickets, wenn überhaupt, dann erst in fünf Stunden, also um 14 Uhr, gibt.

Es war klug, in der Nähe des Tickethäuschens zu bleiben, damit man auch von den anderen Wartenden wahrgenommen wird und so später bessere Chancen haben könnte. Es waren ca. 20 weitere Männer, die auf ein Ticket hofften. Sobald sich nur ein bisschen Veränderung im Inneren des Häuschens abzeichnete, sprangen alle auf drängten dem Schalter entgegen. Nach ein paar Minuten beruhigten sich alle wieder, damit das Spiel von vorne beginnen konnte. Während des Wartens unterhielten wir uns ein wenig und jeder fand einen dringenderen Grund, warum „ER“ unbedingt mit auf das Boot muss. Da war der Verliebte, die kranken Kinder, der Geschäftsmann...

Nach einiger Zeit munterte ich die Menge etwas auf und bot kleine Rundfahrten mit dem Tandem an. Dankend wurde so die Wartezeit verkürzt. Denn aus den fünf Stunden wurden dann schließlich acht. Um 17 Uhr trat Mr. Sahla vor die Menge und verkündete: „ Jeder bekommt ein Ticket, wenn nicht für heute dann für nächste Woche!“ Was er so genau damit meinte, wussten wir nicht. Aber schließlich tat sich etwas am Schalter und alle Wartenden bekamen die Tickets ausgestellt. Jetzt musste es schnell gehen, die Fähre sollte schon in wenigen Minuten ablegen. Aber schnell ist in Afrika etwas Unmögliches. Mindestens vier Mal wurde unser Pass kontrolliert, ob wirklich ein Visum für den Sudan vorhanden ist. Ein paar Formulare mussten noch ausgefüllt werden, für das Fahrrad auch noch etwas Geld bezahlt werden und noch mal in den Pass geschaut werden, es könnte sich ja etwas verändert haben
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Als wir schließlich an das Schiff kamen war es übervoll. Das ganze Schiff schien von einer wilden Meute belagert worden zu sein und alle probieren ihre Beute aus Ägypten mit in den Sudan zu nehmen. Männer rannten umher, Träger brachten noch das 24-teilige Topfset aus China mit an Board und lagerten es neben den Plastikweihnachtsbäumen mitten im Gang ab.

Im Eingangsbereich sah ich Werners Fahrrad. Es war mit all seinen Taschen an die gegenüberliegende Einganstür gelehnt. Wir stellten unsere Sachen daneben ab und machten uns auf die Suche nach einem Platz für die 18-stündige Überfahrt. Auf dem Oberdeck fand ich schließlich Werner, der sich unter dem Rettungsboot einen Platz ergattert hatte. Neben ihm lag Ando Scholz. Rüdiger Nehberg Fans werden ihn vielleicht kennen. Er hat mit ihm zusammen den Blauen Nil befahren, als der dritte Mann Michael Teichmann in einem Gefecht mit feindlichen Stämmen im Kugelhagel starb. Darüber hinaus hat er noch einige andere Abenteuer bewältigt. Ich fand bei ihnen noch ein kleines Plätzchen und konnte dort recht gut die Nacht verbringen. Das Chaos auf und im Schiff ist wirklich schwer zu beschreiben. In den Gängen lagen Menschen, auf den Treppen saßen sie und der übrige Platz wurde mit Kisten, Koffer und Kartons voll gestellt.

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Bei aufgehender Sonnen fuhren wir an Abu Simbel vorbei, welches auch schon von den Touristen in Beschlag genommen wurde. Von hier an dauerte es nur noch wenige Stunden, bis wir Wadi Halfa erreichten. Bevor wir aber das Schiff verlassen durften, wurden wir noch von der Polizei befragt, was wir im Sudan machen wollen und welche Adresse wir dort haben. Jeder gab eine auswendig gelernte Hotelanschrift in Khartoum an und die Polizisten waren zufrieden. Als Erste durften wir Radreisende schließlich das Boot verlassen. Ich betrat das elfte Land meiner Reise.


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